Die Grausamkeit von Sprache
Lesung: »Die Festung Aschaffenburg im Frühjahr 1945« in der ausverkauften Bühne 3 des Stadttheaters
Es ist keine Kunst im eigentlichen Sinne, die Heinz Kirchner, Carsten Pollnick und Albrecht Sylla als Rezitatoren und Jörg Fabig als Musiker des Hörspiels »Die Festung Aschaffenburg im Frühjahr 1945« am Mittwochabend im Bühnenraum 3 des Aschaffenburger Stadttheaters bieten (siehe Interview mit Heinz Kirchner im Kulturteil der Montagsausgabe, »Gegenwart permanent auf den Prüfstand stellen« - www.main-netz.de).
Deshalb ist es unerheblich, ob bei der Premiere dieses von dem 1930 in Aschaffenburg geborenen und heute in München lebenden Heinz Fischer geschriebenen Stück das Lesen so oder pointierter, so oder in einem anderen Tempo, so oder in einem anderen Zusammenspiel von Wort und Musik hätte sein können oder sollen: Wesentlich ist an diesem Abend, dass Kirchner / Pollnick / Sylla sich jeder Gefühlsregung beim Darstellen von Sterben und Tod - was im Krieg immer ein Hinrichten und -schlachten und Verrecken ist - versagen und Fabig in einer sehr ausdrücklichen und eindringlichen Lautmalerei den Sinneseindruck von Bedrohung (mit kaum hörbarem Streichen der Trommelfelle) und Schlachtenlärm (mit herzjagendem Trommelgewitter) erzeugt und damit Empfindung in die Gedanken der Zuhörer sät.
Es war natürlich Zufall, dass an diesem sonnigen Mittwochabend das Lichtspiel in diesem Raum erfüllt war von den riesenhaften Schatten, den die Rezitatoren an die hinter ihnen stehende Wand warfen: Auch solche Details sind wichtig für den Gesamteindruck einer auf Gefühl zielenden Handlung. Allgegenwärtige Bedrohung: Und umso grausamer und schwerer zu ertragen gerät die Nüchternheit der darin eingebetteten Sprache. Stefan Reis
»Die Festung Aschaffenburg im Frühjahr 1945« (etwa 60 Minuten, keine Pause): Samstag, 31. März, 20 Uhr, Bibliothekszentrum Hösbach; Dienstag, 15. Mai, 19.30 Uhr, Café Hench, Sandgasse Aschaffenburg
