Darauf kein Likörchen - Burkard Nadler über fragwürdige Trikotwerbung in der Bundesliga
Endspurt - Die Sportkolumne zum Wochenende
Am 27. Februar 1973 hatte der damalige Bundesligist Eintracht Braunschweig vom DFB die Erlaubnis erhalten, statt des Löwen einen Hirschkopf als Vereinsemblem auf den Trikots zu tragen. Was wie ein rein formeller Akt aussah, hatte weitreichende Folgen: Der Hirschkopf mit dem großen Geweih war gar nicht das Wappentier des Traditionsklubs aus Niedersachsen, sondern Markenzeichen für »Jägermeister«. Und damit zog die Trikotwerbung in den deutschen Sport ein.
Aus der Schnapsidee des Braunschweiger Mäzens Günter Mast, der die Sport-Nation mit seiner jährlichen Finanzspritze von sage und schreibe 160.000 Mark spaltete, ist heute längst ein lukratives, geräuschloses Geschäftsmodell geworden. Die zig Millionen aus Trikotwerbung mit Telekom und Co. sind bei Größen wie dem FC Bayern fest eingeplant. Für Hochprozentiges wirbt heute keiner mehr, ist ja verboten. Aber für Alkohol (Paulaner) und menschenrechtsmissachtende Regimes (Katar) reicht es allemal noch.

Okay, kein exklusives FC-Bayern-Thema. Die Liste fragwürdiger Trikot-Werbe-Deals ließe sich vereinsübergreifend und beliebig fortsetzen. Der FC Schalke hat sich bis vor einem Jahr und viel zu lange vom russischen Staatskonzern Gazprom aufpimpen lassen. Und und...
Von Katar Airways und Gazprom bis zu Massentierhaltern wie Wiesenhof (Werder Bremen): Wäre es nicht schön, wenn sich die Republik heute genauso über Trikotsponsoren echauffieren würde wie einst 1973? Oder wie 1988: Da wollte der TSV Homburg den Schriftzug einer Kondom-Marke (»London«) auf den Trikots tragen. Der Kurzzeit-Bundesligist aus dem Saarland sorgte mit diesem Wunsch beim DFB für helle Aufregung. Kein Witz. Die alten, weißen, verklemmten Herren beim Verband fanden's offenbar zu schlüpfrig, lehnten ab - und Homburg musste »London« auf der Brust erstmal mit einem schwarzen Balken zukleben.
Und was würde Udo Lindenberg zu seinem Hamburger SV sagen? Der hanseatische Zweitligist und frühere Erstliga-Dino trug 14 Jahre (bis 2020) »Fly Emirates« auf dem Fußballer-Dress. Das ist die staatliche Fluggesellschaft von Dubai - eine der umstrittenen Monarchien des Nahen Ostens, denen Menschenrechte egal sind; und wo auch die Scharia gilt. Darauf kein Likörchen!
