Kreuzbandriss ... und jetzt?! Viktorias Philipp Beinenz wagt erste Sprünge
Ball als Motivationsschub
Der Gegner an diesem Samstag ist also jener Verein, gegen den ihm im Hinspiel das Kreuzband gerissen ist. Knapp sieben Monate ist das her. Mehr als ein halbes Jahr mit Reha-Maßnahmen, einer Operation, viel Training und mentalen Auf und Abs. Doch zum Glück gibt es auch Ablenkung.
Kurz vor diesem Heimspiel war der 27-Jährige noch für zwei Wochen in Thailand gewesen. Urlaub machen und den Kopf freikriegen. »Wie schon im Winterurlaub, hat es mir geholfen, mal in ein anderes Umfeld zu kommen. Denn wenn es dem Kopf gut geht, funktioniert auch das Knie besser. Trotzdem habe ich natürlich auch in dieser Zeit trainiert. Aber ein Urlaub wirkt sich in so einer Reha positiv aus. Da bin ich mir sicher.«
Am 27. August des vergangenen Jahres ist Philipp Beinenz bei einem Auswärtsspiel der Viktoria Aschaffenburg ohne Fremdeinwirkung das vordere Kreuzband im rechten Knie gerissen. Am 21. Oktober wurde das Knie operiert. Wir begleiten den 27-Jährigen seit seiner Verletzung in Hankofen-Hailing, um zu zeigen, was eine solch schwere Verletzung für einen ambitionierten Amateursportler bedeutet, wie viel Arbeit die verschiedenen Rehamaßnahmen und -stufen bedeuten und was bei Beinenz bis zur Rückkehr bei einem Pflichtspiel auf dem Rasen mental passiert.
Sein Physiotherapeut Raphael Peter vom Physio- und Sporttherapie Zentrum in Großkrotzenburg sieht das ähnlich und hat keine Einwände - im Gegenteil: »Klar bringt einen so ein Urlaub ein wenig aus dem Rhythmus. Aber ich finde das auch gut für den Kopf, wenn der Alltag mal anders aussieht. Außerdem hat Philipp ja auch dort nach Absprache mit mir einiges gemacht wie Aquagymnastik, Fahrradfahren oder Gerätetraining im Fitnessstudio.«
Nach der Rückkehr nach Deutschland greift dann wieder die Routine. Es gibt weiterhin viel zu tun. Denn das Knie bereitet weiterhin Sorgen, wenn es nach einer erhöhten Belastung noch immer anschwillt. Ein Problem, dass nach einer Lösung verlangt, wie Beinenz sagt: »Zusammen mit Rapha habe ich jetzt einen Plan ausgetüftelt, bei dem ich viermal die Woche mit verschiedenen Schwerpunkten trainiere, um dem ein wenig entgegenzuwirken.« Außerdem sei er noch nicht zu 100 Prozent mit der Streckung zufrieden, so dass er daran sogar täglich arbeite.
Als weitere aktuelle Aufgaben nennt Physiotherapeut Peter gezieltes Krafttraining für die Beine, um Muskelmasse aufzubauen. Außerdem seien kleinere Sprünge neu dazugekommen, die ab der 16. Woche nach der OP erstmals gemacht werden können. Beinenz ist nun in der 20. Woche, macht laut Peter zunehmend dynamische Übungen und darf sich ausprobieren. »An die Sprünge taste ich mich gerade ran. Das ist nämlich immer eine Kopfsache. Ich brauche dann vier oder fünf Versuche, um die Übung gut zu machen«, erzählt der Fußballer, der die Fortschritte spürt und gemäß des eigenen Empfindens einen neuen Abschnitt erreicht hat: »Ich bin jetzt in einer Phase, in der es darum geht, wieder Vertrauen in das Knie zu bekommen und neue Dinge auszuprobieren. Immer unter der Berücksichtigung, ob sich das Knie stabil anfühlt und dass ich keine Schmerzen habe.«
Gut geklappt habe da kurz vor diesem Wochenende eine allererste Übung mit dem so geliebten Ball, die das eigentlich geplante Krafttraining kurzerhand ersetzt hatte. »Rapha und ich haben uns den Ball hin und hergespielt und das hat schon wieder richtig Spaß gemacht. So nach dem Motto: Gib dem kleinen Kind einen Ball und es ist glücklich. Das war wieder einmal so ein Motivationsschub.«
Diese Momente braucht der Außenbahnspieler, damit es ihm gut geht. Denn es gibt eben bis heute auch die Kehrseite, wie Beinenz erzählt: »Ich muss es immer wieder sagen: Am meisten unterschätzt hab ich bei dieser Verletzung das Mentale. Es gibt noch immer einige Aufs und Abs. Dazu schwirren in meinem Kopf tagtäglich Fragen: Wie komme ich wieder auf mein altes Leistungsniveau? Kann ich überhaupt wieder auf dem Platz stehen? Was ist, wenn ich mich wieder verletze«, grübelt der Viktorianer.
Die größte Herausforderung an der Reha sei also nicht der körperliche Aufwand, sondern eher dieses »auf der Höhe bleiben, dieses positiv gestimmt bleiben. Das gelingt mir oft, aber nicht immer. Da gilt es jetzt weiterzumachen, denn man kann nicht alles planen. Es gibt schlechte Tage und dann muss ich weitermachen.«
Im Stadion beim Spiel gegen Hankofen-Hailing war es ein guter Tag. Die Aussicht, irgendwann wieder selbst zu kicken, die zivile Kleidung gegen des SVA-Trikot zu tauschen, macht Mut. Doch Beinenz möchte überhaupt gar keinen Termin mehr dafür nennen. »Das habe ich mir am Anfang selbst immer überlegt, aber das geht einfach nicht. Ob das nun ein paar Wochen früher oder später sein wird - das lässt sich gerade einfach nicht sagen.«
