Ex-Main-Echo-Lokalchef stirbt mit 101
Nachruf: Gustl Müller-Dechent, einst Main-Echo-Lokalchef, ist gestorben - Homepage bis ins hohe Alter gepflegt
Geboren wurde August Müller am 4. Juni 1915 in München, also noch während des Kaiserreichs. Der Sohn eines Maschinisten und einer Köchin wurde Buchdrucker, war zunächst arbeitslos und wanderte ein Jahr lang mit einem Freund durch Europa.
Ihr Geld verdienten sich die beiden als Musikanten in Cafés, »ich auf einem kleinen Regina-Akkordeon«, schreibt Müller-Dechent auf seiner Homepage. Später als Telefonist eines Golfhotels im thüringischen Oberhof lernte er Prominente kennen, zeigt beispielsweise die Autogrammkarte des Schauspielers Hans Albers in seiner Internet-Biografie.
Dort schreibt er auch von »der sozialistischen Idee und deren Idealen«, die ihn seit frühester Jugend geprägt hätten. Wegen politischer Vergehen sei er in der Nazizeit mehrmals inhaftiert worden. Müller-Dechent berichtet von Einsätzen an mehreren Fronten während des Zweiten Weltkriegs. Damals habe er auch Erzählungen für die Soldatenzeitung verfasst.
Sein Schreibtalent führte ihn gleich nach dem Krieg zur »Süddeutschen Zeitung«, zur Würzburger »Main-Post« und 1949 schließlich zum Aschaffenburger Main-Echo. Auf seiner Homepage dokumentierte Müller-Dechent etliche Bilder aus jener Zeit: über seine Begegnungen etwa mit der Sängerin Lale Andersen (»Lilli Marleen«) und Bischof Julius Döpfner bei deren Besuchen in Aschaffenburg, aber auch über sein Amt als Aschaffenburger Fastnachtsprinz Gustav I. im Jahr 1951. Er berichtet über Begegnungen und Freundschaften mit den Künstlern Christian Schad, Siegfried Rischar und Wera Schröner. Der Pompejaner-Bocksbeutel von 1955, den er auf der Homepage zeigt, ist bis heute ungeöffnet.
Ende der fünfziger Jahre wechselte Müller-Dechent auf einen Ressortleiter-Posten der »Frankfurter Rundschau«. Nach dem Tod seiner Frau Thea 2002 lebte er bei einem der beiden Söhne in Salzgitter. Bis 2005 schrieb er Bücher, bis zu einer Melanom-Erkrankung vor ein paar Monaten pflegte er seine Homepage selbst, danach bat er seinen Sohn darum. Die »persönlichen Abschiedszeilen« seiner Todesanzeige enden mit dem Ruf: »Haltet zusammen!«
Claus Morhart
