Symbiose von Kunst und Wissenschaft

Schau: »Humannature« ist eine reizvolle Ausstellung in der generalsanierten Schulz-Villa in Amorbach - Führung durch die Räume

Amorbach
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Viel Aufmerksamkeit weckte bei der Vernissage in Amorbach das Triptychon von Joachim Weissenberger mit dem Titel »Hanau-Bulau I - III« von 2021. Foto: H. Linduschka
Foto: Heinz Linduschka
Blick in das generalsanierte Foyer der ehemaligen Derfflingervilla, jetzt Villa Schulz von 1907. Foto: Heinz Linduschka
Foto: Heinz Linduschka
Das war für vie­le Be­su­cher am frühen Sams­ta­g­a­bend mehr als ei­ne Ver­nis­sa­ge, was in der Grün­der­zeit­vil­la in Amor­bach zu be­stau­nen war.

Und das obwohl die Ölbilder von Joachim Weissenberger, 1965 geborener Maler und Designer mit dem Atelier in Obernburg, dessen Bilder deutschlandweit in beachteten Einzel- und Gruppenausstellungen zu sehen waren, schon allein den Besuch von Kunstfreunden im Barockstädtchen wert wären. In den beiden unteren Geschossen der generalsanierten Villa aus dem Jahr 1907 sind noch bis zum 5.Juni seine Bilder zu sehen. Die Villa auf dem 3500 Quadratmeter großen parkähnlichen Grundstück an der Neudorfer Straße dürfte in den kommenden Jahren ganz sicher zu einem Besuchermagneten Amorbachs werden und an Kunst und Kultur, aber auch an Naturwissenschaft Interessierte aus Nah und Fern anlocken.

Soziale Verantwortung

Das Streben nach Gesamtheit, nach einer Symbiose von Kunst und Wissenschaft, nach der Übernahme gesellschaftlicher Verantwortung, die bereits in mehreren Erfolgsprojekten der Stiftung in Sachen kreativ und praxisorientiert vermittelter Bildung ihren Niederschlag findet, prägt auch diese erste Ausstellung im generalsanierten Haus mit seinen 500 Quadratmetern Wohnfläche auf vier Ebenen. Die Bilder von Joachim Weissenberger sind denn auch eine künstlerische Auseinandersetzung mit dem Verhältnis zwischen dem Menschen und seiner Umwelt und regen die Betrachter zu Gesprächen darüber an, wie man verantwortungsvoll mit der Natur umgehen kann und soll, ein Thema, das auch im Zentrum der Vernissagerede der Galeristin und Kunstexpertin Cornelia König-Becker stand. Tatsächlich »schreien« einige der Ölbilder in bester Expressionismustradition gegen Missstände und Fehlentwicklungen an, während andere im impressionistischen Malgestus, allerdings mit einer intensiven Farbigkeit, die typisch für Weissenberger ist, die Schönheit und Harmonie der weitgehend unberührten Natur feiern. Bestes Beispiel dafür: das Triptychon mit drei Ölbildern von jeweils 1 x 1,5 Metern, das die Schönheit und den Reiz des naturbelassenen Waldgebiets an der Kinzig nördlich von Hanau auf die Leinwand bannt und schon bei der Vernissage viele Besucher faszinierte.

Schon hier war spürbar, dass die Kunstexpertin mit ihrer Einschätzung den Kern traf, als sie vom »surrealen Licht« sprach, vom »etwas zu grünen Grün«, vom einen Tick zu intensiven Blau, von »schrillen Türkis« und vom »irren Violett« - ein Eindruck, der sich beim Betrachten der Bilder aus drei Werkgruppen vertiefte. Da sind Landschaften zu sehen mit üppigem Wachstum, mit flirrendem Licht und mit ausbalancierten Farbkontrasten, da gibt es Porträts und schließlich noch surreale Szenen, die immer mehr den Eindruck bestätigen, dass es dem Maler nicht um die Abbildung oder Ästhetisierung von Wirklichkeit geht. Auch da konnte man der Galeristin voll und ganz zustimmen, als sie formulierte: »Hinter dem Vordergründigen, dem Schönen, dem schönen Schein spielt sich etwas ganz anderes, schwer Fassbares ab. Wir ahnen etwas Verborgenes in diesen Bildern, eine Spannung zwischen Schönheit und Schrecken.« Das waren sicher Gründe, warum die Verantwortlichen der Stiftung gerade die Bilder von Joachim Weissenberger für die erste Ausstellung in der generalsanierten Villa gewählt hatten, weil sie die Ambivalenz spiegeln zwischen vordergründiger Idylle und der Gefahr, die bei einem rücksichts- und gedankenlosen Umgang mit der Natur droht.

Großzügiges Gelände

Auch der Abend der Eröffnung spiegelte die angestrebte Symbiose von Kunst und Wissenschaft in den Stiftungszielen. Genau so viel Interesse wie die Ausstellung fand die Führung durch die Räume des renovierten Hauses. Und immer wieder kreisten die Gespräche darum, wie diese Villa in kommenden Jahren genutzt werden könnte. Oft waren Namen wie »Villa Massimo«, oder eher realistische Bezüge wie »Villa Concordia« zu hören, das Künstlerhaus in Bamberg, in dem Stipendiaten der bildenden Kunst, der Musik und der Literatur einen Wohn- und Arbeitsort auf Zeit finden. Kein Wunder, hatte doch vor wenigen Jahren die Direktorin der Bamberger Einrichtung, Nora Gomringer, im Grünen Saal des Amorbacher Schlosses »ihr« Haus attraktiv und öffentlichkeitswirksam vorgestellt. Und man braucht nicht viel Fantasie, um sich in der Schulzvilla und auf dem großzügigen Gelände künstlerisch-kreatives Leben vorzustellen. Man darf jedenfalls gespannt sein, wofür sich die Verantwortlichen der Stiftung mit rund 40 Millionen Euro Stiftungsvermögen plus Villa schließlich entscheiden, wenn es um die Nutzung dieses Juwels geht. In Amorbach ist sicher die Hoffnung groß und das schöne Barockstädtchen könnte so eine Attraktion gut brauchen. Vielleicht hätte dann auch Theodor W. Adorno, der Amorbach seit seinen Kindertagen sehr verbunden war und es in den höchsten Tönen pries: »Es gehört für mich zu den schönsten Erfahrungen, dass ich in Amorbach, dem einzigen Ort auf diesem fragwürdigen Planeten, in dem ich mich im Grunde zuhause fühle, nicht vergessen worden bin«, hätte er das erlebt, sogar noch einmal über seine nicht gerade Mut machenden Aussagen zum Thema »Kunst und Entfremdung« nachgedacht?

Hintergrund: Informationen

Die Ausstellung »humannature« in der Villa Schulz in Amorbach, Neudorfer Straße 2, ist bis zum 5. Juni zu sehen. Die Öffnungszeiten: Samstag und Sonntag von 14 bis 18 Uhr.

Informationen zum Künstler: www.joachimweissenberger.com.

Infos zur Stiftung: www.js-schulz-

stiftung.de (hlin)

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