Liedermacher trifft auf Comedyfrau
Kabarettbundesliga:Publikum der Obernburger Kochsmühle muss wieder mal Äpfel mit Birnen vergleichen
Diesmal war der »Erfinder« dieses Wettbewerbs, Theo Vagedes, aus Köln in die Obernburger Kochsmühle gekommen, um selbst die Begegnung zwischen Georg Clementi, dem Schauspieler und Liedermacher aus Südtirol, und Hildegart Scholten, der bewusst skurrilen Comedyfrau aus Köln, zu moderieren. Das Publikum entschied sich zwischen Äpfeln und Birnen und Clementi hatte nach gut zweieinhalb Stunden mit 5,4 zu 4,6 Punkten die Nase vorne.
Offiziell wurde die Pause oder gar das Ende der Kabarettbundesliga zwar in Obernburg nicht verkündet, aber es ist ein offenes Geheimnis, dass sich Vagedes nach zehn Jahren von dem zeitaufwendigen Organisieren des Projekts zurückziehen und sich selbst wieder mehr auf den Kleinkunstbühnen produzieren will. In Obernburg testete er schon mal, wie er mit kleinen Warm-up-Szenen vor, zwischen und nach den Auftritten der beiden Akteure ankam und hatte spürbar Freude daran.
Die beiden Akteure dieses Spieltags hatten sich Unterstützung mit nach Obernburg gebracht: Hildegart Scholten brachte aus Köln einen jungen Pianisten mit, der einige ihrer eigenwilligen Songs zurückhaltend begleitete, Clementi trat zusammen mit einer brillanten Akkordeonspielerin und mit einem Gitarristen auf.
Bei seinem Einstiegssong, dem »Lied vom Büchermann«, sprang der Funke noch nicht über, spätestens aber als er mit einem atmosphärisch dichten Chanson das Publikum auf den Flügeln der Musik nach Paris entführte oder witzig und schwungvoll das »Du bist blau wie die Seine« interpretierte, hatte er die Herzen der Zuhörer in Obernburg gewonnen. Mal einschmeichelnde, mal pointierte Melodien und Rhythmen, dazu witzig-anrührende Momente: Der gelernte Schauspieler und Musiker aus Bozen weiß, wie man das Publikum für sich gewinnt. Man kann gespannt sein, ob sein »Anmachsong« mit den Zeilen »Würden Sie sich von hinten sehn, Sie würden keinen Schritt mehr vorwärts gehn«, Vorbildwirkung für das Flirtverhalten der Männer in der Kochsmühle entfaltet oder ob eine der wenigen jüngeren Frauen im Publikum den Tipp der 17-jährigen Amelie Sophie beherzigt, ihre allzu liberalen Eltern und Erzieher einfach mal dadurch zu schocken, dass sie sich ein Kopftuch umbinden und sich als Muslima outen. Der Höhepunkt in seinem unterhaltsamen einstündigen Auftritt: das berührende und ganz und gar unpathetische Liebeslied einer 81-Jährigen für ihren schnarchenden Mann.
Ganz anders, sehr viel mehr auf den Kontakt mit dem Publikum gepolt war der Auftritt von Hildegart Scholten, die in eng sitzender Bluse und im beigen Rock auftrat und stolz immer wieder ihre Kleidung thematisierte - eine Art ländliche Modenschau in Stretch. Witzig und oft auch selbstironisch konterkarierte sie das, was ein gängiges Modeglossar über Stretch schreibt: »Figurbetonte Kleidung ist ein angesagter Trend und bei jeder Frau beliebt - solange dabei die gewünschte, schlanke Silhouette zum Vorschein kommt. Doch wie ist die Traum-Silhouette zu erreichen? Das Zauberwort heißt Stretch.« Hildegart Scholten wirbt körperlich und verbal am eigenen Beispiel für ein Gegenmodell zu Modediktaten und Modellfiguren, bricht eine Lanze für das gute, alte »Plumeau« und für den gelben Frotteeschlafanzug, der auch gerne 25 Jahre alt sein darf.
Vielen in der Kochsmühle machte es Spaß, dass sie immer wieder Besucher nach ihrem Namen, nach ihrem Beruf und nach ihrem Beziehungsstatus fragte, und als sie in einem bewusst komisch hingehauchten Song ihre Begegnung mit einem Einbrecher thematisierte und den Eindringling mit ihrem »Körperspiel« in die Flucht schlägt, herrschte in der Kochsmühle Comedy pur und Scholten bewies, dass dieses Genre alterslos ist.
Gegen Ende ihres gut einstündigen Auftritts war dann doch noch mal ein scheinbar ernsteres Thema angesagt, als sie über Jesus sprach, der immer nur Stress gehabt habe und »altklug« gewesen sei. Die Frau, die in den letzten drei Jahren Comedypreise wie die »Sau von Nördlingen«, in Moers den »alten Hut« und in Oeding die »Goldene Mettwurst der Herzen« gewonnen hat, bewies, dass sie ihre ganz eigene und sehr skurrile »Erotik« auf der Bühne zelebrieren kann, als sie zu Klavierklängen ihr »Möchtest du mein Sterntaler sein« in die Kochsmühle hauchte. Das knappe Ergebnis der Abstimmung wird beide Akteure in der Spitzengruppe der diesjährigen Saison der Kabarettbundesliga halten. Allerdings ist ein Teilnehmer inzwischen uneinholbar enteilt. Der heißt Martin Schmitt und wird am 28. April im Duell mit Inka Meyer in Obernburg zu sehen sein.
Hildegart Scholten (links): eine Modenschau der ganz anderen Art mit Selbstironie und dominierenden Comedyelementen. Mal gefühlvoll, mal witzig und mit Temperament (rechts): Georg Clementi überzeugte in Obernburg mit seinen Liedern.Fotos:
Die Kabarettbundesliga gibt es seit 2009. Sie wird jährlich ausgetragen. 14 Kabarettisten spielen auch in diesem Jahr wieder um den Titel »Deutscher Kabarettmeister«. Die touren gerade wieder zehn Monate lang durch die Republik.
Sie kommen in verschiedenen Konstellationen auch in die Region: unter anderem nach Obernburg und nach Bad Vilbel.
An jedem Spielabend treten zwei Künstler gegeneinander an, die 45 Minuten lang Nummern ihrer Kabarettprogramme darbieten. ()
bNächste Termine: 19. März, 20 Uhr, Unterhaus Mainz, Jacqueline Feldmann versus Aydin Isik; 6. April, 20 Uhr, Theater Alte Mühle Bad Vilbel, Daniel Wagner versus Sven Bensmann; 9. April, 20 Uhr, Unterhaus Mainz, Sebastian Richartz versus byebye; 13. April, 20 Uhr, Kleinkunstbühne Kochsmühle Obernburg, Sebastian Richartz versus Jacqueline Feldmann.
