»Den Trick auf die Kunstebene heben«
Christian Perleth: Der Zauberer über die »Wunder Welten Varieté« am 18. Oktober in Würzburg und seine Faszination für seine Arbeit
Klassisches Varieté kennt man heute kaum mehr. Was genau ist das eigentlich?
Varieté bedeutet übersetzt »bunte Vielfalt«. Ich sehe das Varieté als bunte Puzzleteile, die zusammen ein stimmiges Bild ergeben. Durchs Programm führt ein Conférencier, das heißt ein Moderator, der auch mit eigenen künstlerischen Darbietungen unterhält. Ich werde in meiner Bühnenrolle als »ZaPPaloTT« moderieren. Mein Motto lautet »Faszinierungen«. Mir geht es darum, die Zauberkunst mit Theater, Clownerie und Musik in Szene zu setzen. Aber zurück zur Ausgangsfrage. Zu den klassischen Varietékünsten zählen Zauberei, Jonglage und Akrobatik. Die Stärke des Varietés liegt darin, dass man durch ganz unterschiedliche Kunstformen ein sehr großes Publikum ansprechen kann. Unterm Strich ist für niemandem nichts dabei.
Womit hat Varieté mehr zu tun: Mit Zirkus oder mit Theater?
Varieté hat von beidem etwas, die Grenzen fließen - und trotzdem ist es etwas Eigenes. Akrobatik, Jonglage und Zauberei erlebt man auch im Zirkus. Im Varieté spielt sich dies aber wie im Theater auf einer Bühne ab. Beim »Wunder Welten Varieté« wollen wir die Varietékünste ganz bewusst in einen theatralen Rahmen packen. Das Publikum darf in andere Welten eintauchen. Wir wollen szenische Geschichten erzählen und auf der Bühne mit starken poetischen Bildern arbeiten. Alle Künstler werden etwas erzählen, das mit dem Thema »Traum« zu tun hat.
Welche Geschichten zum Thema »Traum« werden die Besucher zum Beispiel auf der Bühne erleben?
Der Schattenspieler Julian Button wird im Filmmuseum einschlafen und mit einem Lichtprojektor spielen. Luftakrobat »Herr Benedict« erzählt von einem Mann, der auf dem Weg zur Arbeit einnickt und aus festgefahrenen Strukturen ausbricht. Ich selbst trete als Johnny NoCaZh auf und lasse Zauberei auf Theater treffen. Meine Geschichte handelt von einem verlotterten Zirkusdirektor in einem düsteren Hinterhof, der von sich behauptet, das Geld erfunden zu haben. Es geht in der gesellschaftskritischen Nummer um Kapitalismus und Antikapitalismus.
Ob nun als ZaPPaloTT oder als Johnny NoCaZh: Was wollen Sie mit Ihren Kunstfiguren bewirken?
Zauberei kann berühren. Aber es gibt dafür eben auch andere Wege, zum Beispiel Poesie und Philosophie. Ich möchte mein Publikum mit Bildern, Worten und Wundern berühren.
Wie viel Arbeit steckt hinter der Zauberei?
Man muss 26 Stunden am Tag üben, um ein guter Zauberer zu sein. Am besten erst vor dem Spiegel, dann vor der Kamera. Wahre Zauberei bedeutet für mich vor allem, den Trick auf die Kunstebene zu heben und als Künstler einzigartig zu sein. Schafft ein Zauberer das nicht, bleibt er austauschbar.
Funktioniert es in einer Welt der Computeranimationen noch, mit Zaubertricks zu faszinieren?
Der Mensch ist heute mehr gewohnt als vor 50 oder 100 Jahren, das stimmt. Aber der Zauber᠆kunst gelingt es, Wunder zu schaffen ohne Computer und Animationen. Deshalb glaube ich nicht, dass sie heute weniger begeistert als früher. Mit der Zauberei sind Dinge möglich, die es eigentlich nur im Traum geben kann. Mich fasziniert bis heute jenes Kribbeln, das man spürt, wenn man sich denkt: Zack, das kann doch gar nicht sein! Vielleicht fasziniert Zauberei heute sogar gerade, weil wir meinen, in der Welt alles verstehen und erklären zu können. Und dann werden plötzlich sämtliche Grenzen der Vernunft ausgehebelt …
Welche Rolle spielt das Publikum bei einer Zaubershow?
Das Schöne an der Zauberei ist das Generationenübergreifende. Ein guter Zauberer kann eine Vierjährige genauso fesseln wie ihren Großvater. Meine Erfahrung ist: Die Leute unterhalten sich nach einer Vorführung oft wahnsinnig lange und diskutieren, wie ein Trick funktioniert haben könnte. Am tollsten ist es für mich allerdings, wenn ein Zuschauer sagt: »Eigentlich will ich’s ja gar nicht wissen« und die Zauberei als Zauberei akzeptiert. Zuschauer haben einen extrem großen Anteil daran, ob eine Vorführung gelingt, sie müssen dem Zauberer das Okay geben. Weil wir um die Bedeutung des Publikums wissen, lautet das Motto unseres Wunder Welten-Varietés »Gemeinsam machen wir den Moment unendlich«.
