Alles nur »wegen die Flasche mit Bauch«

Uraufführung: »Ein Widder mit Flügeln - 700 Jahre Bürgerspital« von Ulrike Schäfer in der Kelterhalle - Produktion des Mainfranken-Theaters

Würzburg
2 Min.

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Mainfrankentheater Würzburg "Ein Widder mit Flügeln - 700 Jahre Bürgerspital", Anja Gutgesell, Christina Theresa Motsch, Daniel Fiolka, Boris Wagner und Claudia Kraus;
Foto: Nico Manger
Zu 700 Jah­ren be­weg­ter Ge­schich­te las­sen sich Bücher fül­len. Um­so grö­ß­er dürf­te die Her­aus­for­de­rung für die Würz­bur­ger Au­to­rin Ul­ri­ke Schä­fer ge­we­sen sein, als das Main­fran­ken-Thea­ter um ein Thea­ter­stück zum Ju­bi­läum des Bür­ger­spi­tals bat. Um His­to­rie, Stif­tung, Al­tenpf­le­ge und Wein soll­te es ge­hen, un­ter­halt­sam wie in­for­ma­tiv in kom­pak­ten 90 Mi­nu­ten.
Tatsächlich hat Schäfer dies mit Bravour gemeistert: »Ein Widder mit Flügeln - 700 Jahre Bürgerspital« feierte jetzt in der Kelterhalle des Jubilars unter Regie von Axel Stöcker Uraufführung. Atmosphäre schaffen bei einem Sprint durch 700 Jahre Geschichte? Kaum machbar. Doch Schäfer findet eine Lösung: Jene Fragen, die sich bei ihren Recherchen auftaten, stellt bei der Generalprobe zum Jubiläumstag nun ein bunt zusammengewürfelter Haufen: eine Professorin (Claudia Kraus), Backpackerin Jeanny (Christina Theresa Motsch), Sopranistin Sonja (Anja Gutgesell), Bariton Helge (Daniel Fiolka) und Schauspieler Leo (Boris Wagner).
Welche historischen Begebenheiten haben den Geschichtsverlauf, die Altenpflege, den Weinbau geprägt? Wie lässt sich der Geist der Stiftung greifen und beschreiben? Die Professorin erläutert und erklärt, vermittelt Informationen und Fakten. Ihr Team diskutiert und zankt, findet's zu trocken und verpackt die Historie in ein rasantes Schauspiel mit Gesang.
Im Urfränkisch erzählt Anja Gutgesell als konfrontative Stiftungsgründergattin Mergardis von Steren von ihrem »Mooo, dem Schlawiner«; im Bauernkrieg 1525 drischt das Ensemble fröhlich aufeinander ein; Daniel Fiolka trinkt jeden guten Tropfen, den er zu greifen bekommt; Backpackerin Jeanny plaudert mit breitem Down-Under-Akzent vom Jahrtausendwein des Jahres 1540, aus ihrer Familiengeschichte und erzählt, warum sie auf ihrer Weltreise »wegen die Flasche mit Bauch« ausgerechnet im Bürgerspital gelandet ist.
Ohne Bühnenbild
Dass in der Kelterhalle auf ein Bühnenbild verzichtet werden muss, tut dem Stück gut - zumal Schauspieler Leo immer wieder vom Fleck weg improvisiert. Als Requisiten wird genutzt, was auf einem Weingut rasch zur Hand ist: Flaschen, Kartons, Besen. Dass auch der echte Kellermeister Elmar Nun einen gelungenen Gastauftritt hinlegen darf, lässt die Bürgerspitalmitarbeiter jubeln.
Trotzdem bleiben bei aller Komik die ruhigen, nachdenklichen Töne nicht auf der Strecke. Einen wesentlichen Beitrag leisten die Arrangements und Kompositionen aus der Feder von Alexis Agrafiotis, die er am Flügel selbst begleitet. Vieles kennt man oder meint man zu kennen, einige Melodien sind extra fürs Stück entstanden.
Das Kilianslied und die Würzburger Glöckli, selbst das Frankenlied ertönen in abgewandelter Form. Vor allem bewegt Anja Gutgesells Lied vom toten Soldaten, als im März 1945 vom Spital nur die Grundmauern stehen bleiben. Auch der Bürgerchor sorgt am Ende des Abends für emotionale Momente, als er mit einem von Josef Schrimpf für die Produktion komponiertem und getextetem Lied der Verdrängung des Alters entgegentritt und das Vermächtnis der Bürgerspitalgründer aufleben lässt.
Das Publikum applaudiert begeistert. Auch die Initiatorin des Theaterprojekts sowie leitende Stiftungsdirektorin des Bürgerspitals, Annette Noffz, und Dirk Terwey, Geschäftsführer des Mainfranken-Theaters, sparen nicht an Lob für die Uraufführung. Geglückt ist diese dank eines wunderbaren Drehbuchs, guter Regieideen, eingängiger Musik und eines hochmotivierten Schauspielteams. Und durch Mut zu respektvollem Spaß trotz aller Altehrwürdigkeit.

bDauer: 85 Minuten (ohne Pause); Vorstellungen, jeweils 20 Uhr: 9., 10., 16., 17., 20. und 24. Juli
Michaela Schneider
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