Verfahren gegen vermeintliche "Rabenmutter" eingestellt
Frau soll in Geschäft ihr tobendes Kind am Hals gepackt haben
Gewalt in der Familie und erst recht gegen das eigene Kind ist gesellschaftlich geächtet und auch strafbar. Eine Mutter aus einer Odenwaldgemeinde geriet daher ins Visier der Justiz und musste sich wegen eines Vorfalls im vergangenen Sommer verantworten. Sie soll während des Einkaufs in einem Textilmarkt ihren damals fünfjährigen Sohn am Hals gepackt und dadurch verletzt haben.Da gegen einen Strafbefehl über 900 Euro Einspruch eingelegt wurde, traf man sich im Miltenberger Amtsgericht vor Richterin Manuela Hettmann wieder, wo der Aschaffenburger Staatsanwalt Andreas Uhlstein die Vorwürfe zunächst wiederholte. Auch die Zeugin, auf deren Veranlassung seinerzeit die Polizei anrückte, schilderte noch einmal, was sie im Laden beobachtet hat: Dass es erst ein "großes Geschrei" gegeben hätte und dass die Mutter ihren Sohn "am Nacken gepackt und in Richtung Kasse gezogen" hätte. Später hätte sie das heulende Kind vor dem Laden angetroffen und rote "Druckstellen im Halsbereich" gesehen.
Dass es zu einem nicht ganz einvernehmlichen Körperkontakt zwischen ihr und dem Sohn gekommen war, räumte auch die anwaltlich vertretene Angeklagte ein. Erst jetzt aber schilderte sie erstmals ausführlich und durchaus schlüssig aus ihrer Sicht die Chronologie der Ereignisse": Sie sei gemeinsam mit ihrem Sohnemann einkaufen gewesen. Der quengelte, weil sie es ablehnte, ihm ein Spielzeug zu kaufen. Dann wurde er wütend, fing an zu schreien, rannte durchs Geschäft und warf diverse Kleiderständer um.
Völlig entnervt
Da war offenbar der manchen Eltern nicht allzu fremde Punkt erreicht, wo die "lieben Kleinen" einen zur "Weißglut" treiben und man sie am liebsten "auf den Mond schießen" möchte. Für die völlig entnervte Angeklagte gab es nur das Eine: Schnell die unerträglich gewordene Situation zu beenden. Mit der "flachen Hand" habe sie ihren zappelnden Sohn aus dem Laden "herausgeschoben", nachdem er unter Tränen versprach, draußen zu warten, bis sie ihre Einkäufe erledigt hätte.
Die Mutter der Angeklagten, die nach eigenen Einkäufen später hinzukam, hatte gesehen, dass einer der Polizeibeamten Fotos von dem Jungen gemacht hatte. Warum diese nicht bei den Akten waren und warum als polizeiliche Zeugin nur die spätere Sachbearbeiterin, nicht aber die vor Ort gewesenen Beamten benannt wurden, konnte nicht geklärt werden. Deshalb war die nachvollziehbar klingende Einlassung der Mutter nicht zu widerlegen. Weder die Richterin noch der Staatsanwalt hatten hiernach den Eindruck, eine "Rabenmutter" vor sich zu haben, die unbedingt bestraft werden müsse. "Dass die Angeklagte auf ihren Anwaltskosten sitzenbleibt, reicht hier aus", sagte der Anklagevertreter und stimmte der gerichtlichen Einstellung des Verfahrens zu.
