»Coworking Space« in Aschaffenburg
Wirtschaft: Pierre Kerchner hat Aschaffenburgs ersten »Coworking Space« im Roßmarkt eröffnet - Arbeitsraum und Ideenaustausch
Eine Idee, die laut Kerchner in großen Städten schon Anklang findet, ist damit auch am bayerischen Untermain angekommen.
Der Raum steht jedem offen, der einen Büroplatz braucht und sich mit anderen austauschen möchte: Freiberufler, Webdesigner oder Technikentwickler - aber auch Leute, die ganz neue Ideen haben. »Der gemeinsame Nenner heißt Digital«, sagt Kerchner.
Die Betonung liegt auf »gemeinsam«: Der 45-jährige Wirtschaftsingenieur aus Aschaffenburg hat bereits jede Menge Erfahrungen mit Start-Up-Unternehmen gesammelt, aber auch im Marketing- oder Kampagnenbereich. »Dabei saß ich meistens allein daheim vor dem Rechner, oder in einem Restaurant.« Dort habe man kein Netzwerk zum Austausch - eben das will er mit seinen hundert Quadratmetern im Roßmarkt bieten.
Erst wenige Interessenten
Noch seien die Aschaffenburger zögerlich, sagt er. Aber Kerchner ist guter Dinge, dass Freelancer und andere Zielgruppen noch auf den Geschmack kommen werden. Er könne sich aber auch vorstellen, dass sein Geschäftsmodell für Berufstätige von Außerhalb interessant ist: »Für Pendler zum Beispiel.« Angestellte könnten den Coworking Space als Arbeitsplatz nutzen statt im Stau zu stehen. Ein Platz in Aschaffenburg sei auch günstiger als ein Büro in Frankfurt.
Bezahlt wird für die Nutzung von Kerchners offenem Büro ähnlich wie bei einem Fitnessstudio: Derzeit gibt es Tagespässe für 15 Euro oder eine Zwölferkarte für 99 Euro. Wer fest einsteigt, dem steht das Büro auch 24 Stunden zur Verfügung: Mit einer speziellen App können Mitglieder des Coworking Space ihr Smartphone als Türöffner nutzen.
Kerchner bietet aber nicht nur einen Arbeitsraum für Digital-Affine. Er hat auch Dienstleistungen im Angebot: Zum Beispiel Vorträge zum Thema »Whatsapp für Skeptiker«, immer mittwochs um 16 Uhr. Das Angebot richtet sich laut Kerchner vor allem an die ältere Generation und will die Scheu vor dem Smartphone nehmen.
»Ganz gut läuft mittlerweile auch die IT-Beratung«, sagt der Unternehmer. Den Laptop oder das Smartphone optimieren, Fehler beheben, einen Virenscan laufen lassen oder Beratung vor dem Abschluss eines Handyvertrags kosten zwischen 20 und 35 Euro.
Digital ist nicht alles
Kerchner hat aber auch noch andere Ideen: Die Zusammenarbeit mit Hochschule und Studenten, mit PC-Spielefans, Webdesignern, Firmen und der Bereich Industrie 4.0. »Die Digitalisierung wird dort immer wichtiger«, sagt der Unternehmer. Aber er sieht auch den Trend weg von virtuellen Treffen mehr hin zum »echten« Miteinander: Daher auch der Coworking Space als Raum zum Austausch.
Neugierige beim Stammtisch
Austausch gibt's auch an diesem Abend beim Projektstammtisch. In der vergangenen Woche sind immerhin ein paar neugierige Leute gekommen. Stefan Kastner zum Beispiel, der Suchmaschinenoptimierung (SEO) sein Steckenpferd nennt und über den SEO-Stammtisch in Darmstadt Kontakt zu Kerchner bekam.
Der Wirtschaftsinformatiker kennt sich mit Onlinemarketing gut aus und ist neugierig auf Kerchners Idee. Ulrike Baumgart ist Eventmanagerin und hat zuvor in einem Frankfurter Coworking Space gearbeitet. Jetzt unterstützt sie ihren Partner Pierre Kerchner in seinem Vorhaben. Stephanie Sellmer hat ihr privates Büro nur ein paar Straßen weiter: Sie ist selbstständig und arbeitet im Bereich Change Management, hilft Unternehmen, ihre Teams besser zu organisieren. Sellmer, die auch im Verband der Gründer und Selbstständigen (VGSD) aktiv ist, hat bereits in Frankfurt Coworking-Erfahrungen gesammelt und kann sich gut vorstellen, ihren Laptop in Kerchners Büro aufzustellen, wenn ihr Mann seine Promotion fertig hat. »Ich kann nicht nur allein daheim am Rechner sitzen, ich muss das Gefühl haben, zur Arbeit zu gehen«, sagt sie. An diesem Abend tauscht sie sich mit den Anderen über Themen wie Scheinselbstständigkeit aus.
»Beste Idee der letzten Jahre«
Ob aus den Neugierigen dauerhafte Mitstreiter werden, muss Kerchner natürlich abwarten. Er ist zuversichtlich, dass sich die knapp fünfstellige Investitionssumme in sein Coworking-Vorhaben lohnt. »Coworking ist für mich eine der besten Ideen der letzten zehn Jahre.«
dVideo: www.main-echo.de
Miriam Schnurr
