Das »Ewwerdorf« ist das Gravitationszentrum ihres Lebens
Schlierbacher Geburtstagskinder: Für Ulrike Breiter, die heute 49 wird, reicht die Liebe zu ihrem Heimatort über den Tod hinaus
Sie ist eine waschechte Schlierbacherin, eine bekennende noch dazu. Das Gravitationszentrum ihres Lebens liegt im »Ewwerdorf«, etwas oberhalb der vom Schlierbach durchzogenen Dorfaue mit dem so charakteristischen Rathäuschen. »Ich bin aber sogar mal umgezogen«, räumt sie ein, »allerdings nur von der einen Seite des Hofs auf die andere, um Platz zu machen für eine Sanierung.«
Die Gebäude im Ewwerdorf haben etwas Bäuerliches, auch etwas Betuliches, und zum Bild passt es, dass sich vor einem Hoftor zwei ältere Herren in ländlicher Arbeitskleidung viel Zeit für ein Gespräch nehmen. »Hier hat schon mein Urgroßvater gewohnt«, erzählt Ulrike Breiter. Für sie war das Ewwerdorf ein großer Abenteuerspielplatz, den sie mit einer meist fröhlichen Kinderschar teilte. Bald fällt auch das Stichwort »Berschhohl«, das in der hochdeutschen Variante Berghohl auch schon in früheren Serienfolgen aufgetaucht ist. Ein Hohlweg, der zu vielem taugte, im Winter auch zum Schlittenfahren - als es noch Winter mit Schnee gab.
Ein paar Meter weiter den Berg hinauf ist das Dorf zu Ende. Verschiedene Feldwege führen durch die Landschaft am Nordfuß des Binselbergs in die weite Welt. Ein Wegweiser leitet zur Straußenfarm von Stephanie Roth. »Das ist sozusagen meine Nachbarin«, erklärt Breiter, die oft mit ihrem Hund in Feld und Flur unterwegs ist. Mit ihm gehört sie zur Rettungshundestaffel Hainburg, mit ihm ist sie deshalb jedes Wochenende unterwegs. Außerdem gehört sie den Jagdhornbläsern Maingau an - auch ein Grund, gelegentlich unterwegs zu sein.
Aber aus Schlierbach wegziehen? Nie und nimmer hat sie das auch nur erwogen. Ihr Mann kommt aus Babenhausen und musste sich der klaren Ansage beugen: »Dorthin ziehe ich nicht.« Zwei Söhne haben die beiden, 16 und 20. Auch sie leben in Schlierbach, sind bei den Fußballern engagiert, »finden es bei Mama ziemlich bequem, und oft sitzt auch die Jugend bei uns im Hof«.
Oder sie trifft sich am Rathäuschen. Das sei aber kein Vergleich zu früher, meint die Schlierbacherin. »Da war noch Leben im Ort.« Die Kerb etwa habe eine ganz andere Dimension gehabt als heutzutage. Aber ein wenig Zusammenhalt von früher sei doch noch da - wie beispielsweise bei den Vorbereitungen fürs Jubiläumsjahr zu spüren gewesen sei. »Und manche, die neu zugezogen sind, suchen auch den Kontakt zu uns Alteingesessenen.«
Das Neubaugebiet auf dem Gelände einer alten Hofreite sieht sie allerdings mit Skepsis: Ihr ist die enge Bebauung mit Doppelhaushälften zu verdichtet: »Das passt nicht zum Dorf.«
Dabei wären die Neubürger ja vielleicht als Kunden eine zusätzliche wirtschaftliche Basis für ein kleines Lädchen, das nicht nur Breiter vermisst im Dorf, »vor allem für die älteren Leute« - für die es auch ein Treffpunkt wäre.
Auch wenn es solche Abstriche gibt: Für Ulrike Breiter ist Schlierbach durch und durch Heimat, so sehr, dass sie jetzt schon einfordert, später nirgendwo anders als auf dem Friedhof des Dorfs beerdigt zu werden.
