Zeitenwende auf dem Friedhof in Bürgstadt

Martin Hofmann informiert bei UWG-Vortrag über Wandel der Bestattungskultur

Bürgstadt
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Groß war das Interesse an Martin Hofmanns Vortrag über den Wandel in der Bestattungskultur in Bürgstadt.
Foto: Annegret Schmitz
Es war ein sen­si­b­les The­ma, das die Bürg­stad­ter UWG in den Mit­tel­punkt ih­rer ers­ten öf­f­ent­li­chen Ver­an­stal­tung stell­te: »Be­stat­tungs­kul­tur im Wan­del der Zeit«. Das In­ter­es­se der Bür­ger war so groß, dass zu­sätz­li­che Sitz­ge­le­gen­hei­ten in den Vor­trags­raum der Chur­fran­ken­vi­no­thek ge­holt wer­den muss­ten.

Martin Hofmann vom örtlichen Bestattungsinstitut ging zunächst auf die Entstehung des Bürgstadter Friedhofs ein, der 1824 in der heutigen Ortsmitte angelegt wurde. Nach zwei Erweiterungen und drohender »Grabknappheit« entstehen nun immer mehr Lücken zwischen den Gräbern. Über 75 Prozent der Verstorbenen wünschen sich nämlich eine Urnenbestattung. Vor 20 Jahren war man in Bürgstadt noch froh, eine Erweiterungsmöglichkeit neben dem Glockenturm für Erdgräber zu haben. In den letzten Wochen entsteht hier aber ein Urnengrabfeld, da die Kapazitäten auf dem Friedhof bereits erschöpft sind.

Martin Hofmann ging auf die Gründe für diesen Wandel ein. Er zeigte auf, dass früher der Tod eines Menschen ein familiäres Ereignis war, das von Verwandten, Nachbarn und Freunden eng begleitet wurde. Der Verstorbene wurde zuhause aufgebahrt, es wurde Totenwache gehalten und der Verstorbene dann in einem Trauerzug zum Friedhof gebracht. »Da war das ganze Ort dabei«, erklärte Hofmann die Tradition, die bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts eine Selbstverständlichkeit war. Heute wird nach dem Tod eines Angehörigen nicht mehr der Pfarrer, sondern der Bestatter angerufen, so Hofmann. Der Tod ist eine Privatsache, über die man nicht gerne spricht. »Der Tod ist zum Störenfried in unserer Welt geworden«, so seine Erfahrung. Da wundert es auch nicht, dass die Beisetzung möglichst so terminiert werden soll, dass sie in die Arbeitswelt der Hinterbliebenen passt.

Andere Lebens-Prioritäten

Als einen Grund für diesen Wandel in der Bestattungskultur nannte Hofmann die Privatisierung der Lebensverhältnisse. Wo man sich früher über den Gartenzaun unterhielt, steht heute ein hoher Zaun zum Schutz der Privatsphäre. Ein weiterer Aspekt ist die zunehmende Mobilität. »Die Welt ist größer geworden, die Kinder leben oftmals in einer anderen Stadt«. Dies führe dazu, dass Gräber möglichst pflegeleicht sein sollen. Und dann sind das eigene Haus, Auto, Urlaub wichtiger als eine Geldreserve für die Beerdigung, so seine Erfahrung. Nicht zuletzt spielten auch veränderte religiöse Bindungen eine Rolle.

Aus diesen Gründen stieg Anfang der 2000er Jahre die Zahl der Urnenbestattungen stetig an, ein Umstand, dem die Marktgemeinde mit der Anlage eine neuen Urnengrabfeldes Rechnung trägt. Der Bestatter zeigte auf, welche Möglichkeiten das neue Grabfeld bereithält. Da ist das Sternengrab für die »Sternenkinder«, ein Gemeinschaftsgrab für anonyme Bestattungen, Kissensteingräber, wo der Name des Verstorbenen auf einem Stein zu finden ist und die Beetgräber, die über eine bepflanzbare kleine Fläche verfügen. »Fast alle Gräber sind sind pflegefrei«, so Hofmann, der auf eine weitere Bestattungsmöglichkeit in der »Kaverne«, in Miltenberg Ewigkeitsgrab genannt, hinwies. Dort werden Urnen anonym in einem unterirdischen Hohlraum zur letzten Ruhe verbracht. Der Friedhof der Zukunft hat »Aufenthaltscharakter«, so Hofmann.

»Wir stellen einen Wandel von den festen Traditionen und Ritualen einer ganzen Dorfgemeinschaft beim Tod eines Menschen hin zu einer immer anonymeren und privaten Verabschiedung eines Angehörigen fest«, so Hofmann, der auf ein Heft des Heimat- und Geschichtsvereins verwies, das sich mit »Friedhof und Bestattungskultur« auseinandersetzt.

Kürzere Ruhezeiten

In der anschließenden Diskussion wurde deutlich, dass Grabplätze nicht immer um 25 Jahre verlängert werden müssen, dass Urnenbestattungen auch weiterhin auf dem Friedhof möglich sind und die Ruhezeit bei Urnen 15 Jahre beträgt. Welchen Sinn der Pavillon haben soll, wurde gefragt. Dieser diene als Schattenspender, Schutz vor Regen und könne durchaus auch in die Beisetzung mit einbezogen werden, so Hofmann. Wie lange die 135 Grabfelder, wo jeweils 2 Urnen Platz finden wohl reichen werden, war eine weitere Frage. Hofmann schätzt, dass es zehn, maximal 15 Jahre dauern könnte, bis man sich erneut Gedanken machen muss. Allerdings wird der Friedhof in dieser Zeit einen parkähnlichen Charakter bekommen und »keiner weiß, wie sich die Bestattungskultur in dieser Zeit verändert«, so Hofmann.

Im Sommer soll das neue Urnengrabfeld fertig sein, so Bürgermeister Thomas Grün, der ankündigte, dass noch ein Brunnen gebohrt werden soll, damit zum Gießen kein Trinkwasser mehr verwendet werden muss.

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