Richterin Christina Huhn erklärt Jugendstrafen
"Stupser in die richtige Richtung"
Dürfen Sie als Richterin mit anderen über Ihre Fälle sprechen?
Solange man nicht Rückschlüsse auf die Personen ziehen kann, kann ich im Kollegenkreis darüber diskutieren. Manchmal unterhält man sich auch im Bekanntenkreis, dann aber eher abstrakt. Auch wenn ich mir manchmal Ratschläge von Kollegen hole, bin ich unabhängig in meiner Entscheidung. Ich kann und muss entscheiden, wovon ich überzeugt bin.
Wie entscheiden Sie, welche Strafe verhältnismäßig ist?
Im Strafrecht hat der Gesetzgeber für jeden Straftatbestand einen Strafrahmen normiert. Das heißt, es gibt eine Mindeststrafe und es gibt eine Höchststrafe. In diesem Rahmen muss man eine angemessene Strafe finden und Strafzumessungsaspekte abwägen. Zum Beispiel: War der Angeklagte geständig? Wie hoch ist der Schaden?
Was wäre, wenn ich unter 14 Jahren eine Straftat begehe?
In Deutschland hat der Gesetzgeber die Strafmündigkeit auf 14 Jahre festgesetzt. Erst ab diesem Alter kann ein Jugendlicher von einem für Jugendsachen zuständigen Gericht verurteilt werden.
Finden Sie es gut, dass Kinder und Erwachsene unterschiedlich geahndet werden?
Ich finde es schon richtig, dass der Gesetzgeber das so normiert hat. Bei Jugendlichen steht der Erziehungsgedanke im Vordergrund. Das Gericht versucht, sie durch erzieherische Maßnahmen auf die richtige Bahn zu lenken. Sie brauchen manchmal noch den Stupser in die richtige Richtung.
Wie unterscheiden sich Strafen für Jugendliche von denen für Erwachsene?
Im allgemeinen Strafrecht gibt es Geld- und Freiheitsstrafen. Bei Geldstrafen richtet sich die Anzahl der Tagessätze nach der Schuld. Die Tagessatzhöhe richtet sich nach dem Einkommen. Freiheitsstrafen beginnen ab einem Monat und können mehrere Jahre betragen. Im Jugendstrafrecht gibt es andere Möglichkeiten wie gemeinnützige Arbeitsstunden, Geldauflagen, Dauer-, Freizeitarreste oder Jugendstrafen. Ein Freizeitarrest bedeutet, dass der Jugendliche ein Wochenende in einer Jugendarrestanstalt verbringt. Beim Dauerarrest verbringt er bis zu vier Wochen dort.
Eine 13-Jährige bringt jemanden um. Sie kommt nicht ins Gefängnis, ein Erwachsener schon. Finden Sie, das ist angemessen?
Ja, ich finde es angemessen, dass ein Erwachsener, der einen anderen tötet, in der Regel in Strafhaft gehen wird. Man muss aber immer den Einzelfall betrachten.
Wie lange brauchen Sie, um eine Entscheidung zu fällen?
Es kommt darauf an, wie kompliziert die Sache tatsächlich und rechtlich ist. Wenn jemand geschieden werden möchte, geht es relativ schnell. Ich höre mir die Beteiligten an, wir sprechen über offene Punkte und ich spreche die Scheidung aus. Im Büro mache ich dann noch die schriftliche Begründung. Es gibt aber auch Entscheidungen, da höre ich alle Beteiligte an und die Entscheidungsverkündung ist dann zwei, drei Wochen später. Es kann durchaus sein, dass ich mehrere Stunden an einer Entscheidung schreibe.
Hatten Sie schon mal einen Fall, bei dem ein Beteiligter aggressiv wurde?
Ich hatte noch keine Verhandlung, bei der jemand richtig aggressiv geworden ist. Das Gericht kann bei Missachtung des Gerichts Ordnungsgelder verhängen wegen missgebührlichem Verhalten, die Obergrenze beträgt 1000 Euro. Zuvor würde ich darauf hinweisen, dass man sich bitte anders verhalten sollte. Ich hatte aber mal einen Rechtsanwalt, der einen anderen Rechtsanwalt angeschrien hat (lacht).
Christina Huhn aus Frankfurt ist seit vier Monaten Familienrichterin am Amtsgericht in Obernburg. Zu den Aufgaben der 31-Jährigen zählt es zum Beispiel, Scheidungen auszusprechen und Entscheidungen über Unterhaltsansprüche zu treffen. Huhn war zuvor aber auch drei Jahre lang als Staatsanwältin in Aschaffenburg tätig. "Mir macht es Spaß, viel mit Menschen zu tun zu haben und dass man nicht nur Schreibtischtäter ist", so die Richterin.
