Miltenberger Stadtverwaltung gibt sich öffentlichkeitsscheu
Bei Sitzungen des Deutschen Bundestages wird jedes Wort mitgeschrieben und veröffentlicht; schon bei laufender Sitzung. Die fertigen Protokolle stehen in der Regel am nächsten Werktag im Internet zum Herunterladen bereit. Seine Arbeit und Beschlüsse will auch der Miltenberger Stadtrat öffentlich bekannt gemacht haben. Mit der Umsetzung tun sich Bürgermeister und Verwaltung aber schwer.
Bereits im April hatte die SPD-Fraktion beantragt, dass über die Sitzungen Berichte veröffentlicht werden sollen. Bürgermeister Helmut Demel zeigte sich skeptisch. Für die Öffentlichkeitsarbeit der Stadtverwaltung war das Adjektiv »zurückhaltend« bis dahin eher eine Übertreibung. Um den SPD-Antrag zu erfüllen, erklärte sich Demel aber bereit, selbst Sitzungsberichte zu verfassen. »Mach' ich das halt auch noch«, kündigte er mit hörbar wenig Enthusiasmus an.
In der Folge wurde auf der Homepage der Stadt Miltenberg unter »Bürgerservice« in der neuen Rubrik »Aus dem Stadtrat« ein Platz für diese Berichte geschaffen, doch nicht wirklich befüllt. Schon der erste eingestellte Bericht entpuppte sich als Stückwerk. Sechs Punkte hatte die Tagesordnung gezählt, nur zu dreien gab es schriftliche Informationen. Es blieb der einzige Bericht aus der Feder Demels.
Im Juni kam das Thema deshalb erneut auf die Tagesordnung des Stadtrats, bei der sich Verwaltung und Gremium auf einen neuen Weg einigten. Künftig sollten die Protokolle der Stadtrats- und Ausschusssitzungen als Grundlage zur Information der Bürger genutzt werden.
In der Sitzung vom April hatte Hauptamtsleiter Burkhard Reichert einen entsprechenden Vorschlag noch als rechtlich unzulässig bezeichnet. Im Sommer korrigierte er diese Position. Es sei möglich, von den Sitzungen die Namen der Teilnehmer, der entschuldigten Ratsmitglieder, die Tagesordnung sowie den Wortlaut der Beschlüsse und das Abstimmungsergebnis zu veröffentlichen. Das wollte der Stadtrat dann auch so haben. Die Veröffentlichung sollte »im Internet und - soweit vom Umfang her möglich - im Mitteilungsblatt »Rund um das Schnatterloch« erfolgen.
Beides geschieht seither, allerdings kritisierte Rainer Rybakiewicz in der jüngsten Ratssitzung, dass die Protokollauszüge nur kurz in Internet zu sehen seien. Er halte einen dauerhaften Verbleib für sinnvoll, sagte der Liberale, blitzte damit aber beim Bürgermeister ab. Das liege in seiner Entscheidungskompetenz. Wenn er es anders wolle, müsse er das beantragen, ließ Demel Rybakiewicz auflaufen.
Dass sich der Stadtrat mit dem Thema Öffentlichkeitsarbeit befasst, liegt auch Wolfgang Spachmann und dem von ihm gegründeten Blog »stadtwatch.de« am Herzen. Seit gut neun Monaten kritisiert der Miltenberger dort die Stadtverwaltung als intransparent und wenig bürgerfreundlich.
Die neue Rubrik »Aus dem Stadtrat« hätte durchaus eine Antwort auf diese Vorwürfe werden können. Zur echten Öffentlichkeitsoffensive wurde sie aber nicht: Der Nutzwert einer Veröffentlichung mit dem Gesamtinhalt »Beschluss: Dem heute vorgelegten Bedarfsplan nach Art. 7 BayKiBiG (Fortschreibung 2018) wird zugestimmt« ist für die Bürger sehr begrenzt.
Auch Spachmann hat bei der Stadtverwaltung schon nachgefragt, warum die Protokollauszüge nicht dauerhaft in Internet zu finden sind. Und beschäftigt die Rechtsaufsicht im Landratsamt intensiv mit Anfragen und Beschwerden über das Gebaren der Miltenberger Stadtverwaltung.
Auch die Stadträte hat Spachmann angeschrieben und gefragt, ob die Handhabung der Verwaltung »dem entspricht, was Sie als Gremium beschlossen und beabsichtigt haben«. Bei den Räten gibt es jedoch wegen des oft polemischen Stils der Veröffentlichungen auf stadtwatch.de wenig Sympathie für Spachmann und wenig Neigung, ihn zu unterstützen. Das zeigte sich auch bei der Bürgerversammlung am Montag (siehe weiterer Bericht).
Dass Demel aber so offensichtlich die Absicht der Stadtratsbeschlüsse hintertreibt, hat nicht nur Rybakiewicz geärgert. Wenn der Bürgermeister unbedingt durch einen erneuten Antrag gezwungen werden wolle, die Protokollauszüge auf der Homepage zu lassen, werde er diesen Antrag eben bekommen, kündigt Wilko Schmidt auf Nachfrage der Redaktion für die SPD-Fraktion an.
