Miltenberger Fachmarktzentrum soll auf den Prüfstand
Stadtentwicklung:Miltenberger SPD und Bürgermeisterkandidatin Balleier kritisierten Pläne für Bahnhofsgelände
Die Miltenberger SPD und Bürgermeisterkandidatin Sabine Balleier wollen die Planung für das alte Bahnhofsgelände in der Kreisstadt noch einmal auf den Prüfstand stellen. Dazu hat die Stadtratsfraktion einen konkreten Antrag gestellt, teilt die SPD mit.Bei einem Stammtisch-Treffen hatten Parteimitglieder vor wenigen Tagen deutliche Kritik an dem Vorhaben geäußert, auf dem Areal am Mainufer Märkte wie Netto, Takko oder AWG anzusiedeln. Fraktion und Kandidatin hätten darauf reagiert, heißt es in der Pressemitteilung: Die Stadtverwaltung soll prüfen, unter welchen Voraussetzungen ein Ändern der Planung möglich ist und welche Kosten der Stadt daraus entstehen könnten. Wenn dazu Aussagen vorliegen, soll der Stadtrat das Thema erneut diskutieren.
»Wir sind uns einig, dass Miltenberg keine zweite Seehecke braucht und nicht der Nachbargemeinde Kleinheubach nacheifern sollte«, fasst Sabine Balleier die Stimmung in der Partei zusammen. Die vorgesehenen Geschäfte seien keine Bereicherung für die Stadt. Deshalb sollte der Rat in Betracht ziehen, auf eine reine Wohnbebauung - falls möglich auch ein Hotel - umzuschwenken und nicht die Wohnqualität entlang der Mainstraße durch eine Ansammlung von Discountern zu beeinträchtigen.
Als Grundlage für eine solche Entscheidung müssten Stadträte und Bürger jedoch die Konsequenzen kennen - immerhin hat die Activ Group die Planungen mit Billigung der Stadt bereits ein beträchtliches Stück vorangetrieben. »Wir brauchen eine seriöse Abschätzung der Kosten, die uns entstehen, wenn wir die derzeitigen Pläne ändern oder verwerfen«, sagt der SPD-Ortsvorsitzende Wilko Schmidt.
Für Fraktionssprecherin Katja Schäfer stellt sich auch die Frage, ob für den Investor auf dem ehemaligen Bahnhofsgelände mehr familiengerechter, günstiger Wohnraum realisierbar wäre und mehr Platz für das Hotel die Suche nach einem Betreiber erleichtern würde. »Wir brauchen an der Stelle nicht nur hochpreisige Wohnungen«, sagt sie.
Denkbar wäre außerdem, das Areal mit Grünanlagen und Außenbewirtung aufzuwerten. Schäfer weist darauf hin, dass die kürzlich im Stadtrat vorgestellte Planung nicht der ursprünglichen Idee entspreche, die aus dem Investorenwettbewerb hervorgegangen sei: »Wir hatten uns den Geschäftsmix anders vorgestellt.«
Auf massive Kritik war am Stammtisch der SPD auch die Situation im neugebauten Jugendzentrum gestoßen. »Da setzt sich die Stadt für 9,5 Millionen Euro einen schicken Neubau ans Mainzer Tor, und in zwei Jahren Bauzeit gelingt es nicht, auch nur eine ungefähre Vorstellung davon zu entwickeln, wie er mit Leben gefüllt werden soll«, bemängelt Sabine Balleier. Und Schäfer kritisiert, die SPD habe im Bauausschuss mehrmals ein Konzept für den Betrieb des Jugendzentrums angefragt, sei aber immer wieder vertröstet worden.
Es könne nicht sein, dass nach einer Investition in dieser Größenordnung das Jugendzentrum nur ein paar Tage die Woche für einige Stündchen geöffnet ist. »Da muss richtig Programm sein«, sagt Schäfer. Die Zeit, in der das Jugendzentrum als Ersatz für fehlende Kindergartenplätze dienen soll, müsse die Stadt nutzen, um festzulegen, welche Art von Jugendarbeit sie sich wünscht und wie viel Geld sie dafür auszugeben bereit ist. Dazu Sabine Balleier: »Auch die Caritas als wahrscheinlicher Betreiber braucht endlich mal eine Ansage, in welchem Rahmen sie sich künftig bei der Jugendarbeit bewegen kann.« Das müsse verbindlich für einen längeren Zeitraum geregelt sein.
Seit zwei Wochen sammelt der Ortsverband von Bündnis 90/Die Grünen Unterschriften gegen das geplante Fachmarktzentrum auf dem ehemaligen Bahnhofsgelände in Miltenberg. »Miltenberg benötigt Wohnungen und eine Belebung der Innenstadt. Das Gelände kann ein wichtiger Baustein der Stadtentwicklung werden - aber nicht so wie aktuell geplant«, hatte Sabine Stellrecht-Schmidt, die sich ebenfalls um den Chefsessel im Miltenberger Rathaus bewirbt, die Aktion begründet. Die als Petition an den Stadtrat geplante Unterschriftensammlung bekommt durch den Antrag der SPD jetzt zusätzliches Gewicht.
Als »unattraktiv, fantasielos und zu wenig zukunftsorientiert« kritisieren auch die Grünen das Konzept für die Neubebauung des alten Bahnhofgeländes. »Miltenberg braucht Wohnungen und keine Textil- und Schuhdiscounter, die es ringsum überall schon gibt«, sagt der Ortsvorsitzende Lukas Hartmann. ()
