Man kann ja auch fragen
von Georg Kümmel
So können wir uns auch das Internet als großen, schwarzen Raum vorstellen, dessen Fassungsvermögen allerdings eher der Unendlichkeit des gleichfalls schwarzen Weltalls entspricht als der Begrenztheit eines eisernen Dampfkessels.
Miltenbergs Bürgermeister Helmut Demel hat aber ein anderes Bild gewählt, um zu erklären, warum die Beschlüsse des Stadtrats in den unendlichen Weiten des Internets nur begrenzte Zeit zu finden sind. Das World Wide Web ist für den Verwaltungs-Bömmel wie der Schaukasten am Rathaus: Was da reinkomme, müsse auch wieder raus, damit Platz ist für Neues.
Völlig falsch wäre es, aus dieser Erläuterung den Schluss zu ziehen, die Haltbarkeit der Ratschlüsse sei auf wenige Wochen begrenzt und eine längere Dokumentation daher sinnlos. Vielmehr hat Helmut Demel in der Begründung seiner Praxis einen hoch emotionalen Grund anklingen lassen, der viel mit der Unpersönlichkeit moderner, digitaler Kommunikation zu tun hat.
Der Meister der Miltenberger Bürger möchte gern gefragt werden - »freundlich«, wie er betont. Freundlich fragen? Möglicherweise hat das die Facebook- und Twitter-Generation gar nicht gelernt. Deshalb hat die Redaktion im Stadtarchiv alte Schriftrollen ausgegraben und ein Beispiel gefunden, wie sich das Stadtoberhaupt das so vorstellt:
»Halten zu Ehren Euer wohlgeborene Gnaden. In der demüthigen Hoffnung, die wichtigen Obligenschaften der hochlöblichen Stadtverwaltung und des ehrenwerten Magistrats mit meiner bescheidenen Bitte nicht allzu sehr zu hemmen, erflehe ich unterthänigst Auskunft in folgender mir dringlichen Angelegenheit … «
Die Antwort auf dieses lehrreiche Dokument findet sich nicht im Archiv. Vermutlich war die Anschlagtafel am Rathaus gerade voll.
