Große Show im Schlosshof
Nacht des Theaters: Publikum bekommt Vorgeschmack auf die neue Klingenberger Festspielsaison
Einen besseren Abend hätte sich das neue Ensemble um Intendant Marcel Krohn kaum wünschen können: Mit einem Glas Klingenberger Roten oder Weißen in der Hand haben zahlreiche Besucher am Freitagabend die zwanglose Atmosphäre im malerischen Innenhof des Klingenberger Stadtschlosses genossen.
Krachlederner Krohn
Ob die Violine spielende und atemberaubend singende Sidonie Smith (Hauptdarstellerin Aida), ein beeindruckend Elton John imitierender Karsten Kenzel (Soldat in Aida) oder die wunderbar im Duett harmonierenden Musical-Sänger Katja Wiesigkstrauch (Amneris in Aida) und Benedikt Ivo (Hauptdarsteller Kindermusical Wickie) - die bunte Mischung der Darbietungen wurde von Jung und Alt mit begeistertem Applaus belohnt.
Die Moderation der Theaternacht übernahm Marcel Krohn höchstpersönlich. Der in bayerischen Lederhosen steckende und rotbackig geschminkte Intendant offenbarte mit dem Anfangsmonolog aus Goethes Faust und als schmachtender Romeo selbst seine schauspielerischen Qualitäten. Ebenso Co-Moderatorin Petra Hofmann: Ihre Ausbildung in Clownerie setzte die aus Röllbach stammenden Schauspielerin amüsant und unterhaltsam ein. Zum Ausdruck kam auch ihr Geschick in Sachen luftakrobatischer Technik, balancierte sie doch bei der berüchtigten Balkon-Szene aus William Shakespeares »Romeo und Julia« und in »Antigone« bedrohlich nah am Abgrund.
Gebabbel auf der Treppe
Der Treppenaufgang zum Stadtschloss ließ sich ohnehin hervorragend in Szene setzen. Hier wird auf der eigens gebauten Bühne am 18. Juli Premiere für Jean-Baptiste Molières »Der eingebildete Kranke« sein. Hauptdarsteller Kurt Spielmann aus Großwallstadt weihte sein Spielterrain schon mal ein: Als hessisch babbelnder Heinz Schenk bewies er, dass er über eine gehörige Portion komödiantisches Potenzial verfügt. Ihren großen Auftritt hatten auch die Kinder des Musicalworkshops von Nicole Kolb, die auf derselben Bühne mit Tanz- und Gesangeinlagen ihre ersten Schritte als Nachwuchs-Musicalstars präsentierten. Zwischen tiefsinnig-ernsten Rezitationen und humoristisch-musikalischen Einlagen boten die professionell ausgebildeten Sänger und Sängerinnen immer wieder auch leichte Unterhaltung aus Musicals wie Tarzan und Jesus Christ Superstar, kombiniert mit nicht minder anspruchsvollen Stücken wie die Zuhälterballade aus der Dreigroschenoper. Ralph Scheiner, musikalischer Leiter der Festspiele, der alle Lieder mit den Darstellern einstudiert hat, begleitete am Klavier. Die Zuschauer waren angetan, und die Mehrheit ließ sich nicht von den Schauern verscheuchen, die sporadisch über die Theaternacht einbrachen.
»Theater hat viel mit Verführung zu tun«, sagte Marcel Krohn. »Nicht auf oberflächlichen Ruhm und Glanz kommt es an«, ergänzte seine Gegenspielerin Petra Hofmann, »sondern auf die Fähigkeit, leiden und tief empfinden zu können.« Die Theaterleute rieten dem Publikum, sich in eine Welt entführen zu lassen, in der man die Alltagsprobleme vergisst. In diesem Sinne war die Nacht des Theaters ein verführerischer Vorgeschmack auf die Clingenburg-Festspiele, die am Mittwoch, 22. Juni, mit »Aida«, ihren Auftakt in die Saison feiern. Sylvia Breckl

