Beim Naturschutz lässt sich der grüne Landrat von der CSU nicht vorführen
Bericht zum Thema "Blühender Landkreis"
Am Ende will es Dietmar Fieger (CSU) doch nicht so genau wissen. Das Angebot von Landrat Jens Marco Scherf ein paar hundert Grundstücke mit Flurnummer und Größe aufzuzählen, auf denen sich der Landschaftspflegeverband um Artenschutz kümmert, schlägt er aus. Doch Scherf ist nicht zu stoppen. Sein Bericht zum Thema »Blühender Landkreis« dauert gut 45 Minuten und erschöpft die Kreisräte am Dienstag sichtlich.
Offensichtlich hatte der Landrat die Anträge von CSU-Fraktionschef Jürgen Reinhard und Dietmar Fieger als Herausforderung gewertet. Ausgerechnet von Ihm, dem »grünen Landrat« hatte Reinhard aufgefordert, er möge sich persönlich des Themas annehmen und der Landkreis solle »die eigenen Flächen erblühen lassen«.
Was tut der Landrat? Die Antwort auf diese Frage und weitere Anträge beziehungsweise Anfragen von Freien Wählern und seiner eigenen Fraktion, hatte Scherf in einen 33-seitigen Bericht gegossen, dessen vollständige Verlesung die benötigten 45 Minuten weit überschritten hätte.
Schon nach den Ausführungen zu Reinhards Antrag hatte Heinz Kaiser (SPD) vorsichtig versucht Scherf zu stoppen: Der Landrat habe die Steilvorlage der CSU in einen wirklich schönen Treffer verwandelt. Der Beweis für vielfältiges und großes Engagement um Flora und Fauna sei erbracht, sagte Kaiser.
Doch Scherf nahm das Kapitulationsangebot nicht an. »Es wurden noch weitere Fragen bestellt und ich beantworte jede«, ließ er Kaiser abblitzen und fuhr detailreich fort. Als Aktivitäten für den »blühenden Landkreis Miltenberg zählte Scherf unter anderem auf:
• Umwandlung von 4900 Quadratmetern kreiseigener Grundstücke an Schulen und beim Landratsamt in blütenreiche Flächen
• Pflegemaßnahmen auf rund 200 Hektar Biotopflächen durch den Landschaftspflegeverband
• Gespräche und Zusammenarbeit der beteiligten Interessengruppen - Landwirte, Naturschutz, Forstwirtschaft und Kommunen - über den Landschaftspflegeverband unter Vorsitz von Landrat Scherf
• Ausgleichsmaßnahmen für Eingriffe in die Natur mit den Projekten »orchideenreiche Magerwiesen bei Breitendiel«, »artenreiche Kulturlandschaft bei Mömlingen« und »Feuchtgebiet an der Hesselsmühle bei Sommerau«
• Begleitung der Arbeit der Unteren Naturschutzbehörde im Landratsamt durch fünfköpfigen Naturschutzbeirat
• Bildung des Runden Tischs Artenvielfalt auf Initiative des Landrats
• Anlage von Blühstreifen entlang der Kreisstraßen
• insektenfreundliche Mahd und Verzicht auf Insektizide und Herbizide auf landkreiseigenen Flächen
Am Ende blieb Jürgen Reinhrad nicht viel anderes mehr übrig, als Scherf für die »Fleißarbeit« zu danken. Trotz der Ermattung der übrigen Zuhörerschaft hielten es Roland Weber (SPD) und Nina Schüssler (Grüne) für notwendig, die »umfassende und überzeugende Präsentation« ausdrücklich zu begrüßen.
Mehr Beifall als diese beiden erhielt Heinz Linduschka (FDP) für eine Aufforderung solche »zu Anträgen erhöhten Anfragen« in den zuständigen Fachausschüssen zu behandeln. »Sollte das neuer Stil werden, kann auch ich umfangreiche Fragekataloge zur Bildungs- oder Gesundheitspolitik als Anträge formulieren«, drohte er unverhohlen.
Der Vergleich ist natürlich völlig unangemessen. Doch die Ankündigung »Ich beantworte jede Frage« von Landrat Jens Marco Scherf am Dienstag in der Kreistagssitzung hatte im Unterton etwas ähnlich Kriegerisches wie das berühmte »Seit 5.45 Uhr wird zurückgeschossen.«Als Kriegs-Ausbruch wird die Sitzung nicht in die politische Geschichte des Landkreises eingehen. Schließlich haben Jürgen Reinhard und Dietmar Fieger angesichts der massiven Gegenwehr von Jens Marco Scherf die Waffen sofort gestreckt. Ihr Attackenversuch ist mit dem beginnenden Kommunalwahl-Kampf zu erklären. Trotzdem bleibt die Frage, welcher Teufel die CSU geritten hat, den grünen Landrat ausgerechnet auf dem Feld Natur- und Umweltschutz vorführen zu wollen? Dazu noch mit der naiven Aufforderung: Sag uns doch bitte, was Du da alles versäumt hast.Irgendwie klar, dass der Schuss ein Eigentor wird. Allerdings hat sich Scherf mit seiner Retourkutsche auch keinen Gefallen getan. Spätestens nach 15 Minuten hätte er mit Siegerlächeln aufhören können. Da hatten die 60 Kreisräte die Botschaft längst verstanden und das Zuhören eingestellt. Ausgerechnet »sein Thema« hat der grüne Landrat so verschenkt.
Georg Kümmel
